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    Umstrittene Anleihekäufe  2106  0 Kommentare Von "Pyrrhussieg" bis "Kriegserklärung" - So reagieren Experten auf das EuGH-Urteil

    Das Urteil des EuGH zum umstrittenen OMT-Programm schlägt hohe Wellen. Kritiker sind außer sich und sprechen von einer „Kriegserklärung“ an das Bundesverfassungsgericht. Nur einer empfindet ein „Gefühl der Befriedigung“.

    Der Europäische Gerichtshof gab am Dienstag wie erwartet grünes Licht für das umstrittene OMT-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Ankauf von Krisen-Staatsanleihen. Bisher kam das Programm zwar nie zur Anwendung, dennoch laufen Kritiker Sturm gegen die Maßnahme,  hinter der sie eine verbotene Staatsfinanzierung per Notenpresse vermuten. Das sahen die Richter am EuGH anders. Das Programm überschreite nicht die währungspolitischen Befugnisse der EZB und verstoße nicht gegen das Verbot der monetären Finanzierung von Mitgliedstaaten, teilte der Gerichtshof am Dienstag mit (wallstreet:online berichtete).

    Heftige Reaktionen auf ein umstrittenes Urteil

    Der Berliner Finanzexperte Markus C. Kerber nannte das Urteil in der „WirtschaftsWoche“ „ökonomisch völlig unkundig“ und „marktfremd“. Jeder Kenner der Materie wisse, dass die Preisbildung für Staatsanleihen verzerrt würde, wenn der Erstkäufer sicher sei, dass er das Papier an die EZB weiterreichen könne. „Dadurch rückt der Kauf am Sekundärmarkt in die Nähe der monetären Staatsfinanzierung“, so Kerber. Daran ändere auch eine Schamfrist zwischen Primärmarktemission und dem Erwerb am Sekundärmarkt nichts. Das EuGH hatte zuvor argumentiert, es handle sich aufgrund eben dieser Schamfrist nicht um eine verbotene Staatsfinanzierung.

    „Legalität allein reicht nicht“

    Dazu Kerber: „Nach Ansicht des EuGH mag das OMT legal sein, die Bürger in den ehemaligen Hartwährungsländern empfinden die EZB-Politik immer weniger als legitim. Nur mit Legalität kann sich eine Institution wie die EZB auf Dauer nicht halten. Sie braucht Legitimität und eine breite Akzeptanz für ihre Politik. Derzeit ist sie dabei, diese zu verspielen.“

    Ähnlich sieht das der Ökonom Daniel Stelter. Im „manager-magazin“ sagte er, die Gerichte seien die falsche Adresse. Das wahre Problem sei ein zunehmendes Demokratiedefizit der europäischen Rettungspolitik. Die EZB werde als einzige Rettungsinstanz für den Euro von der Politik missbraucht und zunehmend überlastet. Sollte die Euro-Krise, wie erwartet, zurückkehren, „dann wird sich das Mandat für die EZB und der heutige Blankobrief des Gerichts als Pyrrhussieg entpuppen. Der Patient bekommt weiter Schmerzmittel, aber keine Therapie.“

    „Eine Kriegserklärung an das Bundesverfassungsgericht“

    Sprengstoff birgt das Urteil des EuGH vor allem deshalb, weil sich die Richter damit klar gegen das Bundesverfassungsgericht positionieren. Karlsruhe kam im Februar 2014 zum dem Schluss, die EZB habe mit dem OMT-Programm ihre Kompetenzen überschritten. Die Notenbank dürfe laut EU-Vertrag keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben. Zudem verstoße der OMT-Beschluss gegen das Verbot der Mitfinanzierung von Staatshaushalten, so die Verfassungsrichter, die das Thema zur Klärung von EU-Recht an den EuGH weitergaben (siehe hier).

    „Die Richter des Bundesverfassungsgerichts müssen nun entscheiden, ob sie auf Konfrontationskurs mit Europa und dem EuGH gehen wollen“, kommentierte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, das Urteil. Kerber warnte, die Autorität beider Gerichte drohe bei einem Institutionenkonflikt zwischen EuGH und Bundesverfassungsgericht Schaden zu nehmen. Trotzdem müsse sich Karlsruhe fragen, wie es mit dem Urteil umgehe, denn: „Das ist mit der Autorität der Karlsruher Richter nicht vereinbar.“

    CSU-Politiker Peter Gauweiler, der gegen das OMT-Programm geklagt hatte, und sein Prozessvertreter Dietrich Murswiek nannten das Urteil gar „eine Kriegserklärung“ an das Bundesverfassungsgericht. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sprach von einem "bedauerlichen Fehler" des EuGH und appellierte an das Bundesverfassungsgericht, sich "nicht beirren" zu lassen. Sinns designierter Nachfolger, der jetzige ZEW-Präsident Clemens Fuest, bekräftigte: "Der EuGH irrt sich. Das OMT-Programm ist ein Rettungsprogramm der EZB für die hoch verschuldeten Peripheriestaaten. Das ist Fiskalpolitik und keine Geldpolitik."

    Nur einer zeigte sich zufrieden - EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch: „Es ist ein Gefühl der Befriedigung, dass der Europäische Gerichtshof bestätigt hat, dass wir unsere Arbeit ernsthaft gemacht haben und unseren Verantwortlichkeiten gerecht geworden sind.“ Der scheidende Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, sagte gegenüber „dpa-AFX“: „Ein bisschen gottähnlich ist die EZB geblieben, aber sie ist dann doch in ihrer Gottähnlichkeit auch wieder eingeschränkt worden.“




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