Kissigs Kloogschieterei: Wo bleibt der Finanz-Super-GAU?
Nun ist es also passiert: ein Gericht in Hong Kong hat auf Antrag eines Gläubigers die Liquidation von Evergrande angeordnet, dem größten chinesischen Immobilienentwickler. Die ersten
Meldungen über dessen finanzielle Schieflage hatten vor zwei Jahren noch Schockwellen rund um den Globus geschickt, denn immerhin stehen rund 300 Mrd. USD im Feuer. Die Crash-Propheten malten eine Kaskade der fallenden Dominosteine im
Finanzsystem an die Wand und sagten den Kollaps des Weltfinanzsystems voraus.
Nun ist es also passiert… und nichts passiert. Aber wie kann das sein? An den Börsen läuft 'business as usual' getreu dem Motto 'keine Panik, es gibt hier nichts zu sehen, bitte gehen Sie weiter'.
Irgendwie nachvollziehbar, denn die Evergrande-Pleite wird seit zwei Jahren als hässliche Sau durchs Dorf getrieben, es ist keine Überraschung mehr, jeder hatte Zeit, sich darauf einzustellen,
jeder hat sich darauf eingestellt. Eine böse Überraschung, die im schlimmsten Fall als 'Schwarzer Schwan' in den Abgrund führt, blieb damit aus und deshalb auch der Kurseinbruch.
Zudem gibt es einige interessante Aspekte zu bedenken, die diese 'Coolness' unterfüttern. Dank stark gestiegener Zinsen schwächeln die Immobilienmärkte überall auf der Welt, so dass Banken und
andere Gläubiger in ihren Bilanzen bereits seit längerem Risikovorsorge betreiben. Und dann hat sich die chinesische Regierung das Problem mit ihrem Staatsinterventionismus selbst eingebrockt. Erst
ließ man die Gier Überhand gewinnen und sich hier ein Immobilien-Schneeballsystem etablieren, dann wurden über Nacht gesetzliche Beschränkungen eingeführt, die Sargnägel in das System
hämmerten. Leidtragende sind Millionen von Neu-Mittelständlern in China, die ihre neuen Wohnungen vorab bezahlt haben, bevor auch nur der erste Spatenstich gesetzt wurde. Chinas Sozialismus
fährt mit Vollgas gegen die Wand und die Bürger leiden! Auch deshalb setzt man auf militärische Spannungen, um vom eigenen Versagen abzulenken.
»Ein Schnäppchen, das ein Schnäppchen bleibt, ist kein Schnäppchen.«(Martin Whitman)
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Derweil flieht das Kapital aus dem Land; die Investitionen aus den USA und der EU sind auf Rekordtiefs gesunken und das Dilemma zeigt sich auch an den chinesischen Börsen. Ein Trauerspiel! Aber…
"chinesische Aktien sind billig" liest man immer öfter. Ja, aber aus handfesten Gründen.
Alles Gute für euer Geld!
Michael C. Kissig