"Berliner Morgenpost"
Kein echter"Jobturbo". Leitartikel von Dominik Bath über das Versagen bei der Fachkräfteintegration: Ukrainer taugen nicht zum Sündenbock
Berlin (ots) - Man wollte es richtig machen für die Menschen, die vor Putins
Panzern fliehen und ihrer Heimat den Rücken kehren mussten, um in Deutschland
ein neues Leben zu beginnen. Anders als andere Geflüchtete durften die
Ukrainerinnen und Ukrainer deswegen hier sofort arbeiten und bekamen auch höhere
Sozialleistungen: pro Monat 502 Euro Bürgergeld als Alleinstehender, dazu Miete
und Heizkosten. Alleinstehende Asylbewerber erhalten gut 90 Euro weniger.
Den Beschluss, wonach ukrainische Geflüchtete Bürgergeld anstelle von
Asylbewerberleistungen erhalten, ließ die Bundesregierung zum 1. Juni des
vergangenen Jahres in Kraft treten. Man gehe aber davon aus, dass viele Ukrainer
eine hohe Bereitschaft hätten, arbeiten zu gehen, betonten die Koalitionäre
damals. Nun, gut anderthalb Jahre später, hat in dieser Hinsicht Ernüchterung
eingesetzt.
Panzern fliehen und ihrer Heimat den Rücken kehren mussten, um in Deutschland
ein neues Leben zu beginnen. Anders als andere Geflüchtete durften die
Ukrainerinnen und Ukrainer deswegen hier sofort arbeiten und bekamen auch höhere
Sozialleistungen: pro Monat 502 Euro Bürgergeld als Alleinstehender, dazu Miete
und Heizkosten. Alleinstehende Asylbewerber erhalten gut 90 Euro weniger.
Den Beschluss, wonach ukrainische Geflüchtete Bürgergeld anstelle von
Asylbewerberleistungen erhalten, ließ die Bundesregierung zum 1. Juni des
vergangenen Jahres in Kraft treten. Man gehe aber davon aus, dass viele Ukrainer
eine hohe Bereitschaft hätten, arbeiten zu gehen, betonten die Koalitionäre
damals. Nun, gut anderthalb Jahre später, hat in dieser Hinsicht Ernüchterung
eingesetzt.
Nur 19 Prozent der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine arbeiten. Das ist weniger,
als man sich erhofft hatte, und Arbeitsauftrag für Politik und Wirtschaft.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte erst kürzlich öffentlich den Ton
für die arbeitsfähigen Ukrainer verschärft. Sie sollen sich künftig öfter beim
Amt melden. Ämter wiederum sollen ihnen aktiver als bislang Jobs vermitteln.
Wirkt all das nicht, drohen Leistungsminderungen. Den Umschwung mit Blick auf
die Ukrainer hat die Bundesregierung in nette Worte verpackt. "Jobturbo", heißt
nun das, was die häufig unter traumatischen Begleitumständen nach Deutschland
gelangten Menschen in den Arbeitsmarkt bringen soll. Das kommt gut an bei
denjenigen, die schon länger der Auffassung sind, die Höhe des gezahlten
Bürgergelds hätte Einfluss auf die Motivation, arbeiten zu gehen. Doch
Untersuchungen zeigen auch: In Dänemark oder den Niederlanden ist die
Erwerbsquote unter ukrainischen Geflüchteten sogar höher als in Deutschland,
obwohl die finanzielle Unterstützung ähnlich ausfällt.
Man muss sich hierzulande also fragen, warum es bislang nicht gelungen ist, mehr
Stellen mit Ukrainern zu besetzen. Die Menschen aus dem Kriegsgebiet selbst
taugen nicht als Sündenbock. Vielmehr offenbart die bislang äußerst schleppend
vonstatten gegangene Integration in den Arbeitsmarkt das deutsche Versagen in
dieser Hinsicht. Erkennbar wird das nicht nur an den Sprachkursen, auf die viele
Ukrainer monatelang warten mussten.
Ein noch größerer Faktor sind fehlende Betreuungsmöglichkeiten: Weil die Männer
an der Front kämpfen müssen, sind viele Ukrainerinnen alleine mit ihrem
Nachwuchs unterwegs. Nun fällt es schon vielen Deutschen schwer, einen Kitaplatz
für ihre Kinder zu finden. Gerade in Ballungsgebieten wie Berlin oder Hamburg.
Unwahrscheinlich ist, dass das gerade Ukrainerinnen mit ohnehin wenigen
Deutschkenntnissen besser gelingt. Hinzu kommen die noch immer offensichtlich
viel zu bürokratischen Verfahren, wenn es um die Anerkennung ausländischer
Abschlüsse geht.
Aber auch die Wirtschaft muss sich fragen lassen, warum sie es nicht geschafft
hat, mehr Ukrainer einzustellen. Der Fachkräftemangel ist schließlich in allen
Branchen groß. Die Unternehmen sind nun gefragt, Eintrittsbarrieren zu senken
und familienfreundlicher zu werden. Deutschland will ein Einwanderungsland für
Fachkräfte aus dem Ausland sein, steht dafür im Wettbewerb mit anderen Ländern.
Im Umgang mit den Ukrainern allerdings hat man bisher keine Argumente dafür
geliefert, sein Glück in der Bundesrepublik zu versuchen.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/53614/5664640
OTS: BERLINER MORGENPOST
als man sich erhofft hatte, und Arbeitsauftrag für Politik und Wirtschaft.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte erst kürzlich öffentlich den Ton
für die arbeitsfähigen Ukrainer verschärft. Sie sollen sich künftig öfter beim
Amt melden. Ämter wiederum sollen ihnen aktiver als bislang Jobs vermitteln.
Wirkt all das nicht, drohen Leistungsminderungen. Den Umschwung mit Blick auf
die Ukrainer hat die Bundesregierung in nette Worte verpackt. "Jobturbo", heißt
nun das, was die häufig unter traumatischen Begleitumständen nach Deutschland
gelangten Menschen in den Arbeitsmarkt bringen soll. Das kommt gut an bei
denjenigen, die schon länger der Auffassung sind, die Höhe des gezahlten
Bürgergelds hätte Einfluss auf die Motivation, arbeiten zu gehen. Doch
Untersuchungen zeigen auch: In Dänemark oder den Niederlanden ist die
Erwerbsquote unter ukrainischen Geflüchteten sogar höher als in Deutschland,
obwohl die finanzielle Unterstützung ähnlich ausfällt.
Man muss sich hierzulande also fragen, warum es bislang nicht gelungen ist, mehr
Stellen mit Ukrainern zu besetzen. Die Menschen aus dem Kriegsgebiet selbst
taugen nicht als Sündenbock. Vielmehr offenbart die bislang äußerst schleppend
vonstatten gegangene Integration in den Arbeitsmarkt das deutsche Versagen in
dieser Hinsicht. Erkennbar wird das nicht nur an den Sprachkursen, auf die viele
Ukrainer monatelang warten mussten.
Ein noch größerer Faktor sind fehlende Betreuungsmöglichkeiten: Weil die Männer
an der Front kämpfen müssen, sind viele Ukrainerinnen alleine mit ihrem
Nachwuchs unterwegs. Nun fällt es schon vielen Deutschen schwer, einen Kitaplatz
für ihre Kinder zu finden. Gerade in Ballungsgebieten wie Berlin oder Hamburg.
Unwahrscheinlich ist, dass das gerade Ukrainerinnen mit ohnehin wenigen
Deutschkenntnissen besser gelingt. Hinzu kommen die noch immer offensichtlich
viel zu bürokratischen Verfahren, wenn es um die Anerkennung ausländischer
Abschlüsse geht.
Aber auch die Wirtschaft muss sich fragen lassen, warum sie es nicht geschafft
hat, mehr Ukrainer einzustellen. Der Fachkräftemangel ist schließlich in allen
Branchen groß. Die Unternehmen sind nun gefragt, Eintrittsbarrieren zu senken
und familienfreundlicher zu werden. Deutschland will ein Einwanderungsland für
Fachkräfte aus dem Ausland sein, steht dafür im Wettbewerb mit anderen Ländern.
Im Umgang mit den Ukrainern allerdings hat man bisher keine Argumente dafür
geliefert, sein Glück in der Bundesrepublik zu versuchen.
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