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    EZB-Zinsentscheid  3942  4 Kommentare "Das Elixier des kapitalistischen Systems trocken gelegt"

    In der vergangenen Woche hatte die Europäische Zentralbank erstmals einen negativen Einlagenzins für Banken angekündigt. Das sorgte für viele und teils auch emotionale Diskussionen. Es sei „das Ende des kapitalistischen Wirtschaftssystem“, sagt nun auch Thomas Straubhaar.

    In seiner Kolumne für die „Welt“ kommentiert Thomas Straubhaar, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) die jüngsten Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese seien eine „Kapitulationserklärung“ und „eine Absage an die Innovationskraft der Menschheit“, schreibt Straubhaar. In einem sehr emotionalen Duktus erklärt er den positiven Zins zum Herzen des Kapitalismus. Das Zusammenspiel von Fortschritt und Investition, von Menschen mit Ideen und Menschen mit dem nötigen Kapital, um diese Ideen zu realisieren, werde von positiven Zinsen überhaupt erst ermöglicht.

    Grundidee des Kapitalismus wird ausgehebelt

    Denn im Grunde basiere der Kapitalismus auf der Vorstellung, die Zukunft sei besser als die Vergangenheit. Insofern motiviere ein positiver Zinssatz die Menschen dazu, heute zu verzichten, um morgen mehr zu erhalten, so Straubhaar in der „Welt“. Das wiederum sei die Grundlage für Investitionen verbunden mit der Erwartung, deren Erträge später einmal ernten zu können. Der positive Zins sei es, der demnach Anreize für Verzicht und Innovation gleichermaßen setze und damit das System von Wachstum und Fortschritt im Gleichgewicht halte. Doch genau diese Basis werde durch die EZB ausgehebelt. „Mit ihrer Politik der Negativzinsen hat sie das Elixier des kapitalistischen Systems trocken gelegt“, schreibt Straubhaar in der "Welt".

    Mehr noch: die jüngsten Maßnahmen der Europäischen Zentralbank spiegelten die Überzeugung wider, dass den Menschen die Ideen ausgingen. Straubhaar argumentiert, ein Zinssatz solle möglichst über der Wachstumsrate liegen, um Investitionen anzukurbeln und so mehr Wachstum zu generieren. Umgekehrt bedeute ein negativer Zinssatz, dass die Wirtschaft nicht wachsen, sondern schrumpfen werde. Grund hierfür sei eine „Verschuldungsmentalität“, die durch negative Zinsen in Gang gesetzt und zu „wenig rentablen Rationalisierungsinvestitionen und damit zu einer Kapitalverschwendung führt“, so der Professor für Volkwirtschaftslehre.

    Beginn einer „dirigistischen Staatspolitik“

    Was sind die Folgen? Laut Straubhaar führe ein negativer Einlagenzins dazu, dass die Leute ihr Geld lieber unter der Matratze horteten, statt es zur Bank zu bringen. Das wiederum bringe den Staat unter Zugzwang, da dieses Bargeld dem Wirtschaftskreislauf entzogen wäre. Er müsse dann die zeitliche Gültigkeit von Geldscheinen beschränken, um die Konjunktur am Leben zu enthalten. Ein Dilemma, denn damit würde laut Straubhaar „die Funktion des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel“ zerstört werden.

    So gesehen ebnet die Europäische Zentralbank laut Straubhaar den Weg in eine „dirigistische Staatspolitik“, indem sie „mit ihrem Einstieg in Negativzinsen und mit einem speziellen Kreditprogramm für Südeuropa das Kreditwesen praktisch verstaatlicht.“ Zwar erkennt er durchaus an, dass eine durch die EZB gelenkte Staatswirtschaft gerade in Krisenzeiten womöglich eine vernünftige Lösung sein könnte. Dennoch ist sein Urteil deutlich: der Kapitalismus sei am Ende – der EZB sei Dank.





    wallstreetONLINE Redaktion
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