Inflation
Missverständnisse und veraltete Paradigmen
Mit Macht kehrte die Inflation im letzten Jahr zurück und hält seitdem Börsianer, Notenbanker und Verbraucher in Atem.
Doch diesmal ist es zumindest nicht die Notenbankpresse, die zu einer inflatorischen Geldschwemme führt, sondern die durch Corona und Russlands Krieg entstandene Ressourcenknappheit (vor allem bei Rohstoffen und Arbeitskräften), die die Preise verteuert. Viele Gesetzmäßigkeiten von früher, die man mit Inflation verbindet, stehen heute in Frage.
(1) Mehr Geld = mehr Inflation?
Das Preisniveau steigt üblicherweise, wenn es zu viel Geld im Verhältnis zum Angebot von Waren und Dienstleistungen gibt. Oder wie der Ökonom Milton Friedman es formuliert hat: Inflation ist immer ein monetäres Phänomen. Sie kann nur entstehen, wenn die Geldmenge schneller wächst als die Gesamtproduktion. Aber das bedeutet nicht zwangsweise, dass Inflation entstehen muss, wenn die Geldmenge rasant zunimmt. Denn gemäß der Quantitätstheorie des Geldes kommt es darauf an, ob und wie schnell das Geld im Wirtschaftskreislauf zirkuliert. Ein Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit kann den Anstieg der Geldmenge nämlich mehr als kompensieren. Nur wenn diese Verlangsamung der Zirkulation nicht geschieht, führt der Anstieg der Geldmenge bei gleichbleibender Produktion zu einem Preisauftrieb.
Ebenso wie in den ersten Jahren nach der Finanzkrise 2008/2009 ist aktuell jedoch die Umlaufgeschwindigkeit stark zurückgegangen. Das heißt: Das meiste Geld, das die Regierungen und Notenbanken ins System pumpten, hat den Weg in die Realwirtschaft gar nicht gefunden. Die Banken hielten mehr Reserven bei den Zentralbanken, statt mehr Kredite zu vergeben. Die Konsumenten legten das Geld auf die hohe Kante, statt es auszugeben. Seit den 1960er-Jahren gibt es keinen statistisch auffälligen Zusammenhang mehr zwischen Inflation und Wachstum der breiten Geldmenge.
(2) Mehr Inflation oder mehr Arbeitslosigkeit?
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Viele Regierungen denken, sie könnten entscheiden, ob sie niedrige Inflation mit hoher Arbeitslosigkeit, hohe Inflation mit niedriger Arbeitslosigkeit oder ein wenig Inflation mit etwas Arbeitslosigkeit "erkaufen" möchten. Die Vorstellung, es gebe eine Wahlmöglichkeit zwischen beiden, hält sich trotz schwindender Evidenz. Ursprung der eigentlich charmanten Idee ist die Phillips-Kurve, benannt nach dem Ökonomen William Phillips, der 1958 in historischen Daten einen negativen Zusammenhang zwischen Lohninflation und Arbeitslosigkeit festgestellt zu haben glaubte. Wenn die Kapazitäten am Arbeitsmarkt ausgelastet sind und zusätzliche Arbeitskräfte nur schwer zu finden sind, steigen die Löhne und dann die allgemeinen Preise, so die Vorstellung. Erst in 1970er-Jahren geriet dieses Dogma ins Wanken. Die Ausweitung der Geldmenge zur Stimulierung der Wirtschaft führte nicht zum erhofften Erfolg: Inflation und Arbeitslosigkeit kletterten simultan aufwärts. Heute ist von der Kurve nicht mehr viel übrig. Inflation und Arbeitslosenquote weisen keinen signifikanten Zusammenhang auf.