Aus dem heutigen Handelsblatt:
Steigen die Preise wieder? Diese Prognose gibt ein großer Makler
Die Deutschen interessieren sich wieder vermehrt für den Kauf einer Immobilie, berichtet Daniel Ritter, Chef des Maklers Von Poll, im Interview. Nur für eine Gebäudeart bleibt er skeptisch.Carsten Herz02.05.2024 - 09:55 Uhr
Die Preise für Immobilien gingen zuletzt deutlich zurück. Kommt nun das Comeback? Foto: dpa
Frankfurt. Nach einem mehr als anderthalb Jahre dauernden Preisabschwung steuert der Wohnimmobilienmarkt nach Ansicht eines von Deutschlands größten Maklerhäusern auf eine Erholung zu. „Der Trend am Immobilienmarkt ist dabei, sich zu drehen“, sagt Daniel Ritter, geschäftsführender Gesellschafter des bundesweit aktiven Maklerhauses von Poll Immobilien, dem Handelsblatt. „Ich bin überzeugt, dass wir den Boden praktisch erreicht haben.“
Ritter prognostiziert: „Ich rechne für Wohnimmobilien in Deutschland im Laufe des Jahres mit leicht steigenden Preisen und einer leichten Verknappung des Angebots.“ Deutliche Sprünge erwarte er nicht, wohl aber, dass die Preise langfristig zulegten. „Die Kauflust kehrt seit Anfang des Jahres zurück.“
Die Preise für Häuser und Wohnungen in Deutschland waren 2023 nach Angaben des Statistischen Bundesamts um 8,4 Prozent gefallen – der stärkste Rückgang im Jahresvergleich seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Hauptgrund sind kräftig gestiegene Zinsen, die Kredite verteuern. Die Preise für Bestandsimmobilien lagen Ende 2023 im Schnitt 14 Prozent unter dem Höchststand im Frühjahr 2022, wie eine Commerzbank-Studie gerade vorrechnete.
Lesen Sie hier das gesamte Interview mit Topmakler Daniel Ritter:
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Herr Ritter, nach einem deutlichen Preisrutsch berichten Immobilienportale nun wieder von einem steigenden Kundeninteresse. Ist die Zeit des Däumchendrehens bei den Maklern vorbei?
Richtig ist, dass die Nachfrage am Immobilienmarkt zwischen Sommer 2022 und Ende 2023 deutlich zurückgegangen ist und auch die Preise deutlich gesunken sind. Der Eindruck täuscht jedoch, dass Makler dann Däumchen drehen. Im Gegenteil, es muss sogar eher mehr Aufwand betrieben werden, um die Objekte zu verkaufen. Aber es stimmt, wir spüren, dass die Interessenten sich wieder vermehrt für Immobilien interessieren. Die Kauflust kehrt seit Anfang des Jahres zurück.
Bei den Zahlen, auf die sich die Immobilienportale berufen, handelt es sich um Angebotspreise, nicht um Transaktionspreise. Sitzt das Geld der Käufer wirklich wieder lockerer?
Locker hat das Geld der Käufer nie gesessen, nur die Nachfrage war höher. Der Markt normalisiert sich momentan, die große Verunsicherung sowie die Zurückhaltung durch gestiegene Zinsen schwindet. Seit diesem Jahr gibt es wieder mehr Anfragen von Immobiliensuchenden, allerdings ist der finanzielle Spielraum wegen der gestiegenen Finanzierungskonditionen bei vielen kleiner. Die alten Boomzeiten werden so schnell nicht wiederkehren. Aber die Tendenz zeigt wieder leicht nach oben.
Erleben wir nun eine Bodenbildung – oder schon eine Trendwende?
Ja, in meinen Augen erleben wir gerade eine Bodenbildung. Ich bin überzeugt, dass wir den Boden praktisch erreicht haben. Denn die Kaufpreise werden nicht mehr deutlich sinken und auch die Zinsen haben ihren Höhepunkt hinter sich – das belebt die Nachfrage. Ich rechne für Wohnimmobilien in Deutschland im Laufe des Jahres mit leicht steigenden Preisen und einer leichten Verknappung des Angebots. Deutliche Preissprünge erwarte ich nicht, aber langfristig werden sie wieder zulegen. Also ja: Der Trend am Immobilienmarkt ist dabei, sich zu drehen.
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Besser wird es nicht.
Daniel Ritter
Topmakler
Sie sind als Makler nicht unvoreingenommen, dennoch die Frage: Ist 2024 ein guter Zeitpunkt für den Immobilienkauf?
Ich persönlich – und das sage ich ausdrücklich nicht in meiner Rolle als Makler – glaube, dass es für Käufer gerade ein guter Zeitpunkt ist. Das Angebot auf dem Immobilienmarkt ist derzeit vergleichsweise groß und die Nachfrage noch verhalten, entsprechend moderat ist noch der Markt. Noch haben Interessenten auch Zeit, sich umzuschauen und zu verhandeln. Das kann sich alles auch schnell wieder ändern. Ich sage mal so: Besser wird es für Käufer nicht mehr. Wer ein passendes Objekt gefunden hat, sollte überlegen, das Vorhaben zeitnah zu realisieren.
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Daniel Ritter: Der Immobilienprofi zählt zu den Gründern des zweitgrößten deutschen Maklerhauses. Foto: Von Poll Immobilien
Viele Käufer spekulieren laut einer aktuellen Umfrage auf sinkende Bauzinsen und zögern lieber. Erwarten Sie, dass die Konditionen in nächster Zeit noch günstiger werden?
Es lohnt sich nicht, um Zehntelpunkte beim Zins zu zocken, wenn gleichzeitig die Kaufpreise bald wieder steigen sollten. Gerade in Großstädten sehen wir, dass die Angebote schon wieder in die Höhe gehen.
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Nun, dann sollten Verkäufer also besser abwarten, bis sich die Preise wieder stärker erholen?
Ich verstehe, dass man darüber nachdenkt, aber es ist eine riskante Wette. Denn die Preissteigerungen werden sehr moderat sein bei anhaltender Inflation. Die Zeit, in der Verkäufer die Konditionen diktieren konnten, sind vorbei. Deutlich werden die Preise in nächster Zeit nicht nach oben gehen. Und wie sich die Bauzinsen entwickeln, kann Ihnen niemand sicher sagen. Es sind Wahlen in den USA und in Deutschland, dazu gibt es Gefahren im Nahen Osten und in Asien. Viele Ereignisse können starken Einfluss auf die Inflation, die Zinsen und die Preise haben.
Gibt es aus Ihrer Sicht Städte oder Regionen, die für Erwerber von Wohnimmobilien besonders attraktiv sind?
Ich will Sie nicht langweilen, aber letztlich gilt wieder mehr denn je der alte Maklerspruch: Lage, Lage, Lage. Vor wenigen Jahren konnten Sie auch in nicht so nachgefragten Ecken und Regionen gute Preise für Immobilien erzielen. Inzwischen sind die Käufer wieder wählerischer. Wenn es Ihnen um Wertstabilität geht, führt darum kein Weg an den guten und sehr guten Lagen vorbei. Dort werden die Preise sicher auf längere Sicht vor allem in sehr guten Bezirken und im Innenstadtbereich nicht mehr niedriger werden.
Vita: Daniel Ritter
Der Manager
Das Unternehmen
Gibt es Immobilien, die Ladenhüter bleiben werden?
Klar, die Interessenten schauen jetzt wieder viel genauer hin. Ein energetisch schlechtes Objekt in einer Randlage ist viel schwerer verkäuflich. Steht ein solches Objekt dagegen in einer Großstadt, ist der Preisabschlag viel kleiner.
Die Bevölkerungszahl wächst, doch der Neubau liegt weiter am Boden. Steuert Deutschland auf eine Wohnungskrise zu?
Eigentlich hat Deutschland genug Wohnungen – sie stehen nur teilweise an der falschen Stelle. Die meisten Menschen drängt es einfach in die Metropolregionen, und dort ist der Wohnraum knapp. In einigen strukturschwachen Regionen haben Sie dagegen bis heute Leerstand. Aber das ist ein Problem, dass Sie nur mit Investitionen in die Infrastruktur mildern können.
Der eigentliche Rückschlag dürfte noch kommen.
Daniel Ritter
Topmakler
Bauministerin Klara Geywitz hofft, dass bereits Ende 2024 die Zahl der fertiggestellten Wohnungen wieder steigt. Ist das realistisch?
Nein, ist es leider nicht. Fakt ist, dass Sie in Deutschland bis zu einem Jahr warten müssen, bis Sie Ihre Baugenehmigung bekommen – auch wenn die Politik anderes behauptet. Das heißt, die Neubauzahlen, die wir jetzt sehen, stammen überwiegend noch aus der Zeit vor oder zu Beginn der Krise. Der eigentliche Rückschlag dürfte also noch kommen. Denn 2023 haben Baufirmen eigentlich nur noch Projekte umgesetzt, die bereits begonnen oder durchfinanziert waren. Neue Baugenehmigungen werden fast nicht mehr umgesetzt.
» Lesen Sie auch: Kostendruck, Nachfrageprobleme, Fachkräftemangel: Wohnungsbau rutscht tiefer in die Krise
Leidtragende der Entwicklung sind derzeit vor allem Mieter, die eine Wohnung suchen – die Preise sind deutlich gestiegen. Geht das 2024 so weiter?
Auf jeden Fall werden die Mieten weiter deutlich steigen. Das ist einfache Mathematik. Wenn mehr Nachfrage auf ein schrumpfendes oder nicht groß steigendes Angebot trifft, steigen die Preise. Für Mieter bleibt es ungemütlich.
Viele Mieter ziehen nicht mehr um, weil eine neue Wohnung teurer als die alte ist. Merken Sie, dass der Markt für Mietangebote kleiner wird?
Das ist tatsächlich so. Das Angebot an Mietwohnungen ist deutlich geschrumpft, weil die Fluktuation nachlässt. Es kommt noch ein anderer Effekt hinzu: Weil der Vermieter inzwischen die Maklergebühr zahlt, überlässt er es häufig dem Mieter, einen geeigneten Nachfolger aus seinem Umfeld zu finden. Viele Mietwohnungen kommen nicht mehr auf den Markt.
Neubaugebiet in Berlin: Die Zahl der fertiggestellten Wohnhäuser sinkt – und daran wird sich so schnell nichts ändern. Foto: imago images / photothek
Viele Menschen zwischen 30 bis 45 Jahren beklagen, dass sie sich mit einem normalen Gehalt kein Immobilieneigentum leisten können. Verstehen Sie das?
Nicht wirklich. Meine Eltern mussten mehr Jahreseinkommen als die heutige Generation aufbringen, um ihre Wohnung zu finanzieren – und das zu knapp zehn Prozent Zinsen. Viele vergessen, dass auch die Kaufkraft deutlich zugelegt hat. Wer aber erlebt hat, dass die Preise über zehn Jahre lang klettern, hat natürlich das individuelle Gefühl, abgehängt zu sein – weil man damals nicht gekauft hat. Sie mussten aber auch vor 20 Jahren schon bereit sein, zu verzichten, um ihre Traumimmobilie zu erwerben. Entbehrung und Verzicht ist keine Erfindung der Neuzeit.
Erben und ältere Eigentümer erleben gerade, dass der Wert ihrer Immobilie nicht mehr so sicher ist wie früher gedacht. Verlieren Immobilien gerade ein Stück weit ihren Nimbus als Betongold?
Nein, da sehen Sie zu kurzfristig auf die Entwicklung. Die meisten Verkäufer haben doch ihre Immobilie vor vielen Jahren gekauft und realisieren noch deutliche Zuwächse gegenüber dem damaligen Kaufpreis. In den gut zehn Jahren des Immobilienbooms hat sich der Wert vielfach verdoppelt. Der Begriff Betongold ist kein Märchen, sondern Realität – Immobilie ist Sicherheit.
Die Boomer werden in die Innenstädte drängen.
Daniel Ritter
Die geburtenstarke Generation der Boomer wird in den nächsten Jahren in Rente gehen und überdenkt dann ihre Wohnsituation. Wird das den Wohnungsmarkt und die Nachfrage verändern?
Die Boomer werden in die Innenstädte drängen. Gerade im Alter wollen viele raus aus dem weiteren Umland, wo die Infrastruktur schlecht ist. Außerdem werden ihnen ihre Häuser dort zu groß, zu aufwendig. Also verkaufen sie und suchen nach einer schönen, zentralen Stadtwohnung, um mal ins Theater zu gehen und kurze Wege zum Hausarzt zu haben.
Wenn Sie zur Kapitalanlage jetzt 100.000 Euro anlegen müssten, wohin würden Sie das Geld derzeit stecken: Bitcoin, Gold, Aktien, einen Oldtimer oder eine Wohnung in der Großstadt?
Wenn Sie optimistischer in die Zukunft schauen und das Geld vermehren wollen, bleibe ich dabei, dass die Wohnung in guter Lage eine ausgezeichnete Wahl ist. Das ist als Investment einfach stabil und sicher.
Herr Ritter, vielen Dank für das Interview.
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