VL21 schrieb 02.05.24, 12:30
Ein absoluter Krimi das Ganze (im wahrsten Sinne?)
Achtung, langer Beitrag!
Ich möchte Dreieckskopf-Strudelwurm im Folgenden aus verschiedenen Gründen respektvoll widersprechen. Ich bin der Meinung, dass sich ein StaRUG-Verfahren bei Endor auf verschiedene Arten stoppen ließe und der Krieg noch nicht vollends entschieden ist. Unter bestimmten Umständen auch und gerade von Kleinaktionären. Ich bin nicht investiert.
1. Ist StaRUG hier überhaupt anwendbar?
TLDR: Aktuell ja, aber nur, wenn das Verfahren bis auf ein Insolvenzverfahren alternativlos ist. StaRUG muss ultima ratio sein! Das wird noch wichtig.
Die Frage, die daher eigentlich den Knackpunkt der ganzen Sache darstellt, ist : Liegt tatsächlich die Situation der drohenden Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 18 InsO vor (im Zweifel ja) und lässt sich die Zahlungsunfähigkeit (bzw. Überschuldung) nicht anders abwenden als durch StaRUG/Insolvenzverfahren? Schon hier kommt die Kapitalerhöhung durch TJ ins Spiel. Ist diese durchführbar, ist StaRUG zunächst nicht rechtmäßig anwendbar, vergleiche § 1 Abs. 1 S. 1 und 2 StaRUG (Die fehlende Rechtsfolgenqualität der Norm verhindert insbesondere keine gerichtliche Auslegung der Anwendbarkeit).
Alle Möglichkeiten, das Verfahren zu stoppen, stehen also unter der Prämisse, dass eine Kapitalerhöhung tatsächlich im Raum steht und auch so spontan im Rahmen des Möglichen ist. Ohne die Möglichkeit der Kapitalerhöhung kann man die Aktie dann wirklich abschreiben, Insolvenz oder StaRUG ist für Anleger quasi egal.
2. Präventiv-Maßnahmen
Für eine Verhinderung des Verfahrens wäre es nötig, wie threeways schon erwähnt hat, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, den Aufsichtsrat und den Vorstand kaltzustellen und die Kapitalerhöhung in die Wege zu leiten. Damit wäre a) das Durchkommen des Unternehmens gesichert und b) eine Besetzung mit Personal, welches seine rechtlichen Pflichten tatsächlich erfüllt, möglich. Krise abgewendet, Anteilseigner können sich retten.
3. Kann ein StaRUG-Verfahren im Alleingang vom Vorstand durchgeführt werden?
Fraglich ist weiterhin, ob ein StaRUG-Verfahren überhaupt vom Vorstand im Alleingang durchgeführt werden dürfte. Im Gesetz ist das nicht geregelt, allerdings äußert sich das AG Nürnberg dazu: (AG Nürnberg, Beschluss v. 21.06.2023 – RES 397/23)
“Nach ganz überwiegender Ansicht bedarf es zur Antragstellung nach dem StaRUG der vorherigen Zustimmung der Hauptversammlung nicht, jedenfalls wenn [...] das Vorhaben im Hinblick auf ein Insolvenzverfahren alternativlos ist.”
Und alternativlos wäre das Verfahren angesichts der möglichen Kapitalerhöhung wohl nicht.
Damit bedürfte es (e contrario) der Zustimmung der Hauptversammlung, damit im Innenverhältnis alles glatt läuft. Natürlich könnten die “gewissen Akteure” das Ganze im Außenverhältnis trotzdem durchziehen, allerdings machen sie sich dadurch nicht nur haftbar gegenüber den Gesellschaftern, sondern auch strafbar. Also im Zweifel eher unangenehm.
4. Kann ein StaRUG-Verfahren gestoppt werden?
Können Aktionäre das Verfahren bei der Abstimmung stoppen? Vermutlich würden sie wie in vergangenen Fällen von den anderen Gruppen der Planbetroffenen überstimmt.
Kann man nach Planbeschluss das Verfahren beim zuständigen Gericht noch stoppen? Dafür gibt es strukturell zwei Möglichkeiten. a) Versagung der Planbestätigung von Amts wegen oder b) Antrag auf Versagung der Planbestätigung
a) Versagung der Planbestätigung von Amts wegen.
Gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG ist die Bestätigung des Plans zu versagen, wenn der Schuldner nicht drohend zahlungsunfähig ist. Das wäre aber eher unwahrscheinlich, da die bloße Möglichkeit einer Kapitalerhöhung ja eben nicht die Kapitalerhöhung selbst ist.
Weiterhin wäre die Bestätigung zu versagen, wenn nach Abs. 2 Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass das Konzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht. Das wäre dann möglich, wenn man unter den Begriff der Gegebenheiten schon die (ignorierte) Möglichkeit der Kapitalerhöhung subsumiert. Auch eher unwahrscheinlich.
Nach Abs. 5 wäre die Bestätigung auch zu versagen, wenn die Annahme des Plans unlauter herbeigeführt worden ist, insbesondere (aber nicht ausschließlich) durch Begünstigung eines Planbetroffenen. Und hier wird es durch den glasklaren Interessenkonflikt des CFO interessant. Ob so eine Doppelfunktion als CFO und Mitarbeiter bei Birkenstein die Annahme unlauter werden lässt, obliegt dem Gericht zu entscheiden.
b) Antrag auf Versagung der Planbestätigung
Hier wird es sehr hypothetisch. Grundsätzlich kann ein solcher Antrag gem. § 64 Abs. 1 StaRUG gestellt werden, wenn der Planbetroffene glaubhaft macht, dass er durch den Plan schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde. Und das wäre bei einer Kapitalerhöhung definitiv der Fall (Verwässerung vs. “Enteignung”). Allerdings kann der Restrukturierungsplan Mittel für den Fall vorsehen, dass ein Planbetroffener eine Schlechterstellung nachweist. Ist das der Fall (so schlau werden sie sein), ist der Antrag auf Versagung gemäß § 64 Abs. 3 StaRUG abzuweisen und der Plan geht durch.
Also wird das wohl ausscheiden, wenn die Akteure nicht ganz inkompetent sind. Hier kommen allerdings die Kleinaktionäre ins Spiel. Bisher ist nur bekannt, dass TJ und weitere eine ordentliche Kompensation erhalten würden. Aber die Kleinanleger? Wenn für Kleinanleger keine Kompensation bereitgestellt wird, können diese im Abstimmungsverfahren gem. § 64 Abs. 2 StaRUG dem Plan widersprechen und die Schlechterstellung glaubhaft machen, mithin den Antrag auf Versagung stellen, ohne dass dieser gemäß Abs. 3 abzuweisen wäre.
5. Ergebnis:
Sollte das Verfahren in die Wege geleitet werden, ist es eine Sache des Gerichts, den evidenten Interessenkonflikt zum Anlass zu nehmen, diese Wahnsinnigen in die Schranken zu weisen. Der Aktionär wird da selbst nur mit Hürden etwas ausrichten können, allerdings ist es nicht unmöglich.
Dass man es mit Kriminellen zu tun hat, steht für mich im Übrigen außer Frage. Jedoch stehen Strafrecht und Gesellschafts-/Kapitalmarktrecht nebeneinander. Die Schäden, die das Verfahren anrichten würde, könnten nicht durch Zivilprozesse oder Strafverfahren gegen die einzelnen Beteiligten ausgeglichen oder umgekehrt werden. Ganz nach Florian Homm: Man kann alles machen! Die Rechtswidrigkeit eines Vorhabens verhindert selten dessen Erfolg.
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